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Essen für die Seele

“Essen hält Leib und Seele zusammen” – das ist eine alte Volksweisheit. Essen ist nicht nur für unseren Körper wichtig, sondern auch für unsere Seele. Essen bringt uns mit lieben Menschen zusammen, es strukturiert unseren Tagesablauf, ist ein wichtiger Teil unserer Kultur und Identität, es bringt Genuss und Freude. Einzelne Gerichte und Lebensmittel können uns auch Trost spenden, entspannen und ein wohliges Gefühl geben. In diesem Artikel geht es darum, wie Sie auch während einer Krebserkrankung “für die Seele” essen können.

Ernährung soll von nun an vor allem eines für Sie sein: eine Freundin, die Ihnen auf dem Weg durch die Erkrankung zur Seite steht. Die Ihrem Körper und Ihrer Seele Kraft spendet. Auf keinen Fall sollte sie ein weiterer Stressfaktor oder gar ein Feind sein, der Ihnen Schuldgefühle macht und Sie unter Druck setzt. Sie haben mit der Krankheit Krebs bereits genug zu tun! Und auch aus medizinischer Sicht sind Schuldgefühle beim Essen unnötig.

Auf der körperlichen Ebene kann Ernährung in jeder Phase der Erkrankung dazu beitragen, die Gesamtsituation Ihres Körpers und damit die Wirkung Ihrer medizinischen Therapien und Ihre Lebensqualität zu verbessern! (Mehr dazu lesen Sie hier.) Auf der psychischen Ebene kann Essen Kraft geben, Freude und Trost spenden, Auszeiten schenken und Sie weiter mit lieben Menschen verbinden.

Wichtig: Ein bestehender Tumor kann durch Ernährung nicht direkt beeinflusst oder geheilt werden. Was Sie essen, lässt den Tumor weder wachsen noch schrumpfen! Auch wenn man leider oft das Gegenteil hört. Sie brauchen sich also weder das Naschen zu verbieten noch müssen Sie sich dazu zwingen, vermeintlich “gesunde” Lebensmittel zu essen, die Ihnen gar nicht schmecken.

Es gilt jetzt: Was Ihr Körper gerade braucht und verträgt und was Ihnen Freude bringt ist “gesund”!  Das kann auch mal das genaue Gegenteil davon sein, was allgemein als gesund gilt (mehr dazu lesen Sie hier.). Lassen Sie sich davon nicht verunsichern und haben Sie kein schlechtes Gewissen beim Essen! 

Wenn Sie bemerken, dass Sie sich trotzdem über einzelne Lebensmittel Sorgen machen oder Sie befürchten, dass Sie sich mit der ein oder anderen Gewohnheit schaden, dann melden Sie sich gerne bei uns und unsere Expertinnen schauen, ob wirklich Grund zur Sorge besteht. Wir sprechen auch gerne mit Ihren Angehörigen und Freunden, wenn diese sich um Ihre Ernährungsgewohnheiten Sorgen machen und das zu Konflikten führt.

Essen hat viel mit Ritualen zu tun. Besonders im Kreis der Familie ist das gemeinsame Essen oftmals Mittelpunkt des Familienalltags. Aber auch wenn wir allein sind, strukturiert das Essen oft unseren Tag und wir haben feste Gewohnheiten, wann wir welche Speisen essen. 

Diese Rituale können und sollten auch während einer Erkrankung, wenn möglich, beibehalten werden. Rituale geben uns Bedeutung, Struktur und können eine wichtige Kraftquelle sein.

Anpassungen an Einschränkungen während der Erkrankung

Während der Erkrankung kann sich im Bereich der Ernährung viel verändern: Hunger und Appetit können ausbleiben, Beschwerden können die Lebensmittelauswahl einschränken, Geschmacksveränderungen führen dazu, dass einem eigentlich gern gegessene Speisen nicht mehr schmecken. 

In der Familie / in Gesellschaft:

  • Bleiben Sie flexibel, wenn Sie nicht das Gleiche oder die gleiche Menge wie die anderen essen können. Bei der gemeinsamen Mahlzeit kann der Fokus auch auf dem Zusammensitzen, der Unterhaltung und der gemeinsam verbrachten Zeit liegen. 
  • Bei Appetitlosigkeit kann es sogar hilfreich sein, wenn Sie ganz nebenbei immer wieder einen Bissen essen, aber Ihre Aufmerksamkeit gar nicht so sehr auf Ihrem Essen, sondern auf den Menschen liegt, mit denen Sie essen. 
  • Sprechen Sie einmal offen in Ihrer Familie darüber, dass Sie nicht immer vorhersehen können, wann Sie auf welche Lebensmittel und Gerichte Lust haben und wie viel Sie jeweils essen können. Das reduziert Druck und falsche Erwartungen.
  • Sprechen Sie auch darüber, wenn es zu Konflikten mit festen Regeln in Ihrem Haushalt kommt und machen Sie z.B. auch Kindern klar, dass die Regeln für Sie aktuell anders sind. z.B. man muss den Teller leer essen, man trinkt nur Wasser zum Essen (wenn für Sie aber gerade energiereiche Getränke wichtig sind), man isst Lebensmittel XY nicht zum Frühstück / Mittag / Abendessen etc. 
  • Beobachten Sie, ob es während der gemeinsamen Mahlzeiten Dinge gibt, die Ihnen Druck oder Stress erzeugen. Versuchen Sie zu ergründen, woher diese negativen Gefühle kommen: Haben Sie falsche Erwartungen an sich selbst? Haben andere falsche Erwartungen? Spielen besondere Sorgen eine Rolle? Fühlen Sie sich als Außenseiter oder Spielverderber, oder ist es Ihnen peinlich, wenn Sie nicht das Gleiche essen können, wie die anderen oder wenn Ihnen plötzlich etwas nicht mehr schmeckt?  

Allein: 

  • Welche Rituale beim Essen (Essenszeiten, besondere Speisen für besondere Situationen, etc.) sind Ihnen wichtig? Vieles davon lässt sich auch beibehalten, wenn sich verändert was sie essen oder wie viel Sie essen können. 
  • Beobachten Sie, wo Ihnen alte Regeln das Essen vermiesen. Man muss z.B. den Teller nicht leer essen, man darf auch mehrmals täglich von einem Hauptgericht essen, man darf Spaghetti auch zum Frühstück essen, wenn man da den größten Hunger und Appetit hat, man muss nicht alles selbst kochen, wenn man keine Energie und keine Lust hat etc. 

Wenn Einschränkungen beim Essen bestehen, kann der Fokus auch auf das Drumherum gerichtet werden: Auf das Einkaufen auf dem Markt oder in Läden, die man gerne hat. Auf einen schön angerichteten Teller oder einen schön gedeckten Tisch; eine schöne Atmosphäre. Diese Dinge können das Essen attraktiver und besonderer machen – auch wenn es z.B. “nur” eine Karottensuppe gegen Verdauungsprobleme ist. 

Viele Menschen haben ein bestimmtes Gericht, das die Mutter oder Großmutter gekocht hat, wenn man traurig war. Diese Gerichte haben einen ganz besonderen emotionalen Wert und können in Zeiten der Erkrankung Kraft und Trost spenden.

Idee: Kochen Sie sich (oder lassen Sie kochen!) Ihr Lieblingsgericht in einer größeren Menge vor und frieren Sie Portionen davon ein. Dann haben Sie es schnell verfügbar, wenn Sie es einmal besonders dringend brauchen.

Wichtig: An den Tagen rund um eine Chemotherapie sollten Lieblingsgerichte gemieden werden. Wenn durch die Chemo Übelkeit auftritt, kann es sonst sein, dass die Übelkeit mit dem Lieblingsgericht verknüpft wird und man es später nicht mehr essen kann. 

  • Wenn es Ihnen möglich ist, telefonieren Sie ab und zu während des Abendessens mit Ihrer Familie. So können Sie sowohl für Ihre Familie als auch für sich selbst das Ritual aufrechterhalten und gemeinsam ein wenig Normalität spüren.
  • Lassen Sie sich von Familie oder Freunden etwas mitbringen, was Sie sehr gern essen (siehe Lieblingsgerichte) oder was sie oft zusammen essen (z.B. ein Stück Kuchen gemeinsam mit der Freundin am Nachmittag).
  • Wenn das Klinik-Essen nicht schmeckt und nicht glücklich macht: Lieferdienste liefern auch in die Klinik! Man kann auch mit anderen Patient:innen zusammen etwas bestellen. In Gemeinschaft schmeckt es vielleicht gleich noch besser. 
  • Menschen motiviert es, Ziele zu haben! Dies können Sie auch auf das Essen oder auf bestimmte Gerichte in der Zukunft beziehen. Planen Sie einen Abend mit Freunden, an dem ihr Lieblingsgericht gekocht wird. Überlegen Sie sich ein leckeres Kuchenrezept, das Sie unbedingt backen möchten, wenn es Ihnen besser geht. Visualisieren Sie eine Feier mit vielen Köstlichkeiten, die es dann geben wird. Allein die Vorstellung daran und die Vorfreude kann Ihre Stimmung heben.