Wenn Essen Beziehungen belastet

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Essen bringt Menschen zusammen. Beim gemeinsamen Essen in der Familie, dem Grillabend mit Freunden, bei Feiern und Festen – überall spielt das Essen eine zentrale Rolle. Essen strukturiert den Tag. Gegessen wird auch zur Stressbewältigung oder zur Belohnung.

Wenn man plötzlich nicht mehr so essen kann, wie gewohnt, können auch Beziehungen darunter leiden. Oder wenn Angehörige und Patient:innen verschiedene Ansichten haben, was nun gegessen werden sollte und was nicht.

In diesem Text haben wir gemeinsam mit Psychoonkologinnen des Vereins Lebensmut e.V. ein paar Strategien zum Umgang mit typischen Konflikten beim Thema Essen zusammengestellt. 

Empfehlungen für Patient:innen

Sie haben keinen Appetit und können nur wenig essen. Ihre Angehörigen und Freunde drängen Sie aber immer wieder dazu, mehr zu essen und betonen auch, wie wichtig das ist. Sie können aber einfach nicht mehr essen.

Was können Sie tun?

  • Appetitlosigkeit und ungewollter Gewichtsverlust sind während einer Krebserkrankung sehr häufig. Und es stimmt leider auch, dass es für den Krankheitsverlauf sehr wichtig ist, den ungewollten Gewichtsverlust zu stoppen. (Ein Erklärvideo und weitere Informationen dazu finden Sie im Artikel “Was essen bei Gewichtsverlust.“).
  • Wenn sich Ihre Angehörigen oder Freunde also um Ihren Gewichtsverlust Sorgen machen, so ist das berechtigt. Aber wenn Sie wegen Beschwerden oder Appetitlosigkeit nur wenig essen können, dann hilft es nicht, wenn Sie zusätzlich unter Druck gesetzt werden. Sprechen Sie darüber mit Ihren Angehörigen und Freunden und sagen Sie, dass es Ihnen nicht weiter hilft, wenn Sie zum Essen gedrängt werden. 
  • Einfach mehr zu essen, funktioniert meistens nicht. Es gibt aber eine ganze Reihe Empfehlungen, die für viele Betroffene gut funktionieren. Diese finden Sie in unseren Artikeln “Was essen bei Gewichtsverlust” und “Was essen bei Appetitlosigkeit“.
  • Wenn die Empfehlungen nicht helfen, oder Sie alleine nicht wissen, wo Sie anfangen sollen, dann wenden Sie sich gerne an unsere telefonische Fernbegleitung. Unsere Ernährungsexpertinnen unterstützen Sie dann ganz individuell und kostenlos dabei, Beschwerden zu lindern und trotz Appetitverlust und Einschränkungen Ihrem Körper ausreichend Energie und Nährstoffe zu geben. Es kann sehr entlastend für Sie und Ihre Familie sein, wenn Sie sich in professionelle Hände begeben. 

Vielleicht kommt Ihnen die ein oder andere der folgenden Situaitonen bekannt vor:

  • Ihre Essensvorlieben ändern sich häufig.
  • Sie können vorher nicht sagen, ob Ihnen etwas schmecken wird oder ob Sie viel oder wenig von einer Speise essen können.
  • Manchmal haben Sie im einen Moment Appetit auf etwas und wünschen sich, dass z.B. ein Familienmitglied Ihnen ein bestimmtes Lebensmittel besorgt oder etwas kocht, das können Sie dann aber doch nicht essen, etc.
  • Weil Sie nicht wissen, ob Sie es nachher essen können oder nicht, trauen Sie sich nicht mehr, nach den Speisen zu fragen, auf die Sie gerade Appetit haben.
  • Sie haben Angst, den anderen mit Essenswünschen zur Last zu fallen oder sie zu verletzen, wenn Sie etwas nicht essen, was für Sie zubereitet oder besorgt wurde.
  • Es tut Ihnen leid, wenn Sie etwas nicht essen können, das Ihnen Besucher:innen als nette Geste mitgebracht haben.
  • Es fällt Ihnen ganz allgemein schwer, Hilfe beim Kochen, Einkaufen etc. anzunehmen.

Was können Sie tun?

  • Reden Sie mit Angehörigen und Freunden darüber, was für Sie schwierig ist.
  • Je mehr Sie Ihren Angehörigen von sich und Ihren aktuellen Schwierigkeiten mitteilen, desto einfacher wird es erfahrungsgemäß für diese sein, Sie zu verstehen. Meistens sind die Gesten, Tipps und Ratschläge der Angehörigen sehr liebevoll und gut gemeint. Wenn Andere nicht wissen, wie Sie das aktuell wahrnehmen, ist es schwierig, das Verhalten zu unterlassen oder zu verändern. Erklären Sie Ihren Angehörigen daher (wenn möglich) möglichst genau, welche Probleme Sie aktuell haben. Und sagen Sie Ihnen, was Sie sich von Ihnen wünschen würden oder was Ihnen helfen würde. In den meisten Fällen werden sie Ihnen dankbar sein, weil sie gerne helfen möchten.
    • Beispiel: Nicht nur sagen „Mir wird von deinem Essen schlecht.“ Sondern „Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast. Durch die Chemo ist mir nur leider oft übel und ich vertrage nur wenige Lebensmittel. Ich würde mir für nächstes Mal xy wünschen.“
  • Versetzen Sie sich in die Rolle Ihrer Familienmitglieder oder Freunde. Wie wäre es für Sie, wenn Sie einen lieben Menschen hätten, der mitten in der Krebsbehandlung steckt und daher mehr Unterstützung braucht und Appetit und Geschmack nicht gut vorhersehen kann? Fänden Sie das schlimm oder hätten Sie Verständnis? Was bräuchten Sie als Freund / Freundin der Patientin / des Patienten, um gut mit der Situation umgehen zu können?
  • Die meisten fänden die Situation in der anderen Rolle gar nicht so schlimm, oder bräuchten nur eine Erklärung der Beschwerden, oder wie es sich anfühlt, wenn sich der Appetit ständig wandelt.
  • Ihre Krebserkrankung löst auch in Ihren Angehörigen und Freunden Ängste und Gefühle von Hilflosigkeit und Machtlosigkeit aus. Viele von Ihnen freuen sich deshalb, wenn Sie ganz konkret etwas für Sie tun können. Scheuen Sie sich also nicht um konkrete Hilfestellungen zu bitten: Einkäufe machen, etwas für Sie (vor-)kochen, den Abwasch machen etc. Statt zur Last zu fallen, geben Sie Ihren Lieben so die Möglichkeit, aktiv zu werden und einen Schritt aus ihrer Hilflosigkeit herauszukommen.
  • Auch für Gerichte, Lebensmittel und Getränke, die Sie aktuell gut vertragen und gerne essen, können Sie eine Liste anfertigen und sie z.B. an Freunde oder Familie schicken. Dann wissen Sie, dass Sie nichts vorbeigebracht bekommen, was Sie aktuell gar nicht essen können. Gemeinsam können Sie dann überlegen, wie man mit diesen Lebensmitteln möglichst abwechslungsreich kochen kann.
  • Wenn Ihnen etwas gekocht oder mitgebracht wurde, auf das Sie in dem Moment keinen Appetit (mehr) haben, frieren Sie es ein. Sagen Sie zum Beispiel “Danke, das sieht super lecker aus. Leider habe ich gerade gar keinen Appetit. Das ändert sich im Moment häufig. Ich friere mir das aber ein und das ist dann eine große Erleichterung für mich, wenn ich das schnell verfügbar habe, wenn ich darauf Appetit bekomme.”
  • Anstatt den Fokus darauf zu legen, was aktuell alles nicht geht und was Sie alles nicht essen können, versuchen Sie zu überlegen, was alles geht und was sie essen können. Denken Sie dabei auch an Getränke.

  • Jeder Mensch darf auch mal schwach sein und Hilfe annehmen. Wenn das nicht geht, kann man sich fragen, warum nicht? Auch hier kann es helfen, sich gemeinsam mit Psychotherapeut:innen oder Psychoonkolog:innen zu überlegen, wo das herkommen könnte. Was stecken für eigene Überzeugungen und Glaubenssätze (z.B. aus der Kindheit) dahinter?
    Mit professioneller Unterstützung kann der Zugang zu diesen Überzeugungen evtl. leichter gefunden werden. Im nächsten Schritt kann eine Um- oder Neubewertung vorgenommen werden. Ist es tatsächlich so? Ist es immer so?
  •  

Sie haben Beschwerden beim Essen, die Ihnen unangenehm sind. Vielleicht müssen Sie öfters zur Toilette, Sie können nur noch ganz kleine Portionen essen, Sie wissen vorher nicht, was und wieviel vom Essen Sie wirklich runter bekommen, ob und was Ihnen wirklich schmeckt oder Sie können nur noch sehr langsam essen. Sie essen deshalb nicht mehr so gerne in Gesellschaft und isolieren sich immer mehr.

Was können Sie tun?

  • Wie wäre es für Sie, wenn Sie eine Freundin / einen Freund hätten, der mitten in der Krebsbehandlung steckt und daher weniger essen kann, mehr Zeit benötigt, öfter zur Toilette muss? Fänden Sie das schlimm oder hätten Sie Verständnis? Was bräuchten Sie als Freund / Freundin der Patientin / des Patienten, um gut mit der Situation umgehen zu können?
  • Es kommt sehr häufig vor, dass Patient:innen Angst haben, anderen durch ihre Beschwerden zur Last zu fallen oder sie zu verletzen. Wenn Sie sich dann aber vorstellen, in der anderen Position zu sein, fänden Sie es überhaupt nicht schlimm, wenn der oder die Krebsbetroffene weniger isst, andere Sachen mag oder länger braucht. Vielleicht bräuchte man dafür nur eine Erklärung, mehr nicht. 
  • Wenn Sie das Essen in Gesellschaft gerne vermeiden wollen, gibt es auch ganz praktische Lösungsmöglichkeiten, ohne den Kontakt zu anderen komplett meiden zu müssen: Sie kommen später dazu, wenn die anderen mit dem Essen fertig sind; Sie bringen sich selbst etwas mit, wenn das Problem die Speisenauswahl ist; Sie machen vorher schon klar, dass Sie nichts essen werden; Sie können auch gemeinsame Aktivitäten vorschlagen, die nichts mit Essen zu tun haben, usw.

Freunde oder Angehörige haben sich im Internet informiert und geben Ihnen ständig Tipps, welche Lebensmittel Sie nun ganz besonders oft essen sollen, oder welche Sie am Besten gar nicht mehr essen sollten. Sie wollen sich aber nicht so ernähren und es kommt dadurch zu Konflikten.

Das können Sie tun:

  • Ganz wichtig vorab: Während der Erkrankung ist das für Sie gesund, was Ihre Beschwerden lindert, was Sie gerade vertragen und was Ihnen schmeckt. Was Sie essen lässt den Tumor weder wachsen noch schrumpfen. (Mehr dazu im Artikel Essen für die Seele)
  • Bei ungewollten Ratschlägen können Sie sich kurz bedanken und gleichzeitig aber auch klar sagen, dass Sie sich melden, wenn Sie Tipps brauchen.
  • Ungewollte Ratschläge können Frustration und Enttäuschung auf beiden Seiten auslösen und führen Sie auf diese Weise eher vom Ziel weg.
  • Motivierte Angehörige und Freunde können leider oft nicht unterscheiden, ob eine Empfehlung wirklich seriös ist, oder nicht. Das Internet und die Bücherregale sind voll von Berichten zu Wunderdiäten und angeblich bahnbrechenden neuen Erkenntnissen, an denen aber nichts dran ist. Bitte lassen Sie sich durch diese Tipps nicht verunsichern.
  • Wenn Sie Fragen haben oder eine fundierte Meinung zu einem Ratschlag haben wollen, melden Sie sich gerne jederzeit bei uns. Unser Expert:innen-Team hilft Ihnen bei der Einordnung.
  • Es kann auch helfen, wenn Sie Ihren Freunden und Angehörigen einen Link zu unserer Webseite und zu unserer Broschüre schicken, die kompakt erklärt, worauf es während einer Krebserkrankung bei der Ernährung wirklich ankommt.

Empfehlungen für Angehörige und Freunde

Vielleicht kommt Ihnen eine der folgenden typischen Situationen bekannt vor:

  • Ihre betroffene Person hat kaum noch Appetit und isst nur sehr wenig. Sie machen sich Sorgen, aber Ihre Ermutigungen zum Essen helfen nicht.
  • Ihre betroffene Person mag nicht mehr die gleichen Sachen essen, wie früher. Das bringt Ihre Gewohnheiten und Abläufe durcheinander und bringt Stress in die Familie.
  • Sie haben Ihrer betroffenen Person ihr Lieblingsgericht gekocht oder etwas mitgebracht, das sie immer gerne gegessen hat. Sie isst dann aber gar nichts davon.
  • Ihre betroffene Person hat gesagt, dass sie auf XY Lust hat. Sie haben das extra gekocht oder besorgt und dann hat sie plötzlich keinen Appetit mehr darauf.
  • Sie haben im Internet gelesen oder gehört, was man bei einer Krebserkrankung ganz besonders viel essen soll oder vermeiden soll. Ihre betroffene Person befolgt Ihre Ratschläge aber nicht.

Hier ein paar Anregungen, wie Sie mit diesen Situationen umgehen können:

  • Gehen Sie achtsam miteinander um und haben Sie Geduld miteinander.
  • Reden Sie miteinander. 
  • Bevor Sie einfach Essen mitbringen, oder zubereiten, fragen Sie, was sich die betroffene Person gerade wünscht. Fragen Sie, ob überhaupt gerade etwas zu Essen ein gutes Mitbringsel ist, oder ob Sie auch anderweitig unterstützen können (z.B. einkaufen gehen, Erledigungen machen, Müll runterbringen etc.).
  • Wenn Sie für die Zubereitung der Mahlzeiten und Essensplanung bei Ihnen im Haushalt zuständig sind, seien Sie flexibel. Es ist normal, dass sich der Appetit und der Geschmack der Betroffenen verändern – teilweise auch von Stunde zu Stunde.
    • Anregungen, welche Lebensmittel bei welchen Beschwerden besonders gut vertragen werden, finden Sie im Bereich “Beschwerden lindern” auf dieser Seite.
    • Seien Sie pragmatisch. Worauf gerade kein Appetit besteht, kann eingefroren werden und vergrößert den Vorrat an schnell verfügbarem Essen, wenn Appetit aufkommt.
    • Weder Sie noch die betroffene Person können etwas dafür, wenn sich der Appetit plötzlich ändert. Sehen Sie die Mahlzeiten, die Sie zubereiten immer als Angebot.
  • Auch wenn es schwer fällt: Drängen Sie die betroffene Person nicht zum Essen. Druck erhöht die Wahrscheinlichkeit nicht, dass mehr gegessen wird.

  • Bevor Sie Ratschläge geben, fragen Sie, ob diese gewünscht sind. Stellen Sie außerdem sicher, dass Ihre Informationen aus einer seriösen Quelle stammen. Im Internet und leider auch in einigen Büchern finden sich häufig Fehlinformationen und falsche Versprechungen zum Thema Ernährung.

Weiterführende Links

Kennen Sie schon den Blauen Ratgeber “Hilfen für Angehörige” der Deutschen Krebshilfe? Er beleuchtet viele Aspekte, die für Angehörige und Freunde von Menschen mit Krebs wichtig sind und gibt Hilfestellungen für typische Herausforderungen.

Empfehlungen für Alle

Wenn man mit lieben Menschen über Sorgen und Gefühle spricht, fühlt man sich wahrscheinlich besser. Es fällt aber nicht immer leicht, über die eigenen Gefühle zu sprechen. 

Diese Anregungen können dabei helfen:

  • Reflektion:
    • Wie habe ich es in der Vergangenheit getan? Wann konnte ich mit xy immer gut sprechen? (z.B. beim Essen, im Park, während einer Autofahrt etc.)
    • Wenn mir das Sprechen schwer fällt, kann ich es vielleicht schriftlich besser in Worte fassen?
    • Hilft uns evtl. ein gemeinsames Gespräch bei einer Psychoonkologin oder einem Therapeuten?
  • Formulierung:
    • Welches Gefühl nehme ich aktuell wahr? Wenn kein konkretes Gefühl benannt werden kann, auf Körperempfindungen eingehen (Druck, Spannung, Enge etc. und das dazugehörige Körperteil)
      Wie fühle ich mich in einer konkreten Situation und was könnte an Bedürfnissen dahinterstecken? Was würde ich mir wünschen? Was brauche ich damit es mir besser geht?
    • Wenn all das nicht gelingen will: Warum fällt es so schwer über Emotionen zu sprechen? Was wird befürchtet?

Hier kann auch ein Gespräch mit Psychoonkolog:innen / Psychotherapeut:innen weiterhelfen

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